“Qualitätsopfer”

Der Begriff “Qualitätsopfer” führt häufig zu Missverständnissen, denn geopfert wird gar nichts. Es handelt sich dabei vielmehr im Idealfall um einen sog. “Plustausch”.

Als Botwinnik das Schachprogramm “Pioneer” konzipierte, suchte er nach einer Möglichkeit, um die Zielvorgabe für den Algorithmus zu formulieren. Matt zu setzen konnte dabei für die Grundstellung keine Zielvorgabe sein, denn so tief kann keine Engine rechnen. Also hängte er das Ziel entsprechend niedriger und definierte es als den “Materialgewinn”. Schach wird damit zum Wirtschaftsspiel.

Mit jedem Zugpaar (= Austausch von Zügen) gewinnt man idealerweise etwas (das Plus) hinzu, sei es Material, Raum oder Zeit. Dieser Gewinn lässt sich in Bauereinheiten messen, bzw. umrechnen, und ist damit mathematisch erfassbar. Im Schach kommt es dabei allerdings auch häufig zu “Währungsschwankungen”. Das macht letztlich den Reiz aus. Ein Bauer ist in der Regel nur eine Einheit wert. Steht er jedoch kurz vor der Umwandlung, kann er bereits zu diesem Zeitpunkt eine ganze Dame wert sein. Nach diesem Verständnis gibt es überhaupt keine Opfer, sondern allenfalls einen Tausch von Äpfeln gegen Birnen, wobei man hofft, dass es nicht unter Wert geschieht. Einen Verlust hat man eingestellt.

Ein korrektes Qualitätsopfer ist somit kein Materialverlust, sondern idealerweise ein Vermögenszuwachs. Am Ende hat man durch diese Transaktion mehr Bauerneinheiten in der Vermögensbilanz, als vorher. Neutrale Qualitätsopfer, die zu keiner Veränderung des Vermögens führen, sind selten, und demzufolge etwas besonderes. In der Betriebswirtschaft würde man dazu sagen, dass ein Asset durch ein anderes ersetzt wurde.

Viele Spieler, insbesondere auf Amateurebene, haben für das Konzept des Qualitätsopfers als Plustausch einen Blind Spot, weil sie nur in konkreten Figurenwerten rechnen und sonstige werthaltige Faktoren ignorieren. Andere wiederum haben grundsätzlich Angst vor dynamischen Vorteilen als Kompensation, weil sie diese nur allzu oft verspielen und am Ende – wie Hans im Glück – mit leeren Händen darstehen. Sie besitzen auch im realen Leben keine Aktien, sondern typischerweise Gold und Immobilien.